Mastodon Springe zum Hauptmenü Springe zum Inhalt

(K)ein Blind Date auf dem Kirchentag

Eine Begegnung auf dem Markt der Möglichkeiten - #Kirchentag

 Annegret Lorenz sitzt an einem Tisch und schaut in Richtung Kamera. Hinter Ihr ist an der Wand ein großes, bunt stilisiertes Auge zu sehen. Dieses Auge trägt auch die Titelseite des Broschürenstapels vor ihr. Sie hat den grünen Kirchentagsschal um den Hals gelegt.

Bild, c. KIN: Annegret Lorenz sitzt an einem Tisch und schaut in Richtung Kamera. Hinter Ihr ist an der Wand ein großes, bunt stilisiertes Auge zu sehen. Dieses Auge trägt auch die Titelseite des Broschürenstapels vor ihr. Sie hat den grünen Kirchentagsschal um den Hals gelegt.

Annegret Lorenz engagiert sich am Gemeinschaftsstand der evangelischen Blinden- und Sehbehindertenseelsorge in Bayern und des Dachverbandes der ev. Blinden- und Sehbehindertenseelsorge und darüber hinaus.

Ein Gespräch über ihre Erblindung, Tipps zum Umgang damit, ihre Erfahrungen auf mehreren Kirchentagen und die Angebote der Evangelischen Blindenseelsorge Bayern.

 

 

Transkript:

Es ist Juni 2023 und der evangelische Kirchentag läuft in Nürnberg.
Dort traf ich Annegret Lorenz auf dem Markt der Möglichkeiten am Gemeinschaftsstand der
evangelischen Blinden- und Sehbehinderten Seelsorge in Bayern und des Dachverbandes der evangelischen Blinden- und Sehbehinderten Seelsorge. Wegen eines Gewitters fand das Gespräch unter ungünstigen akustischen Bedingungen statt, aber ich hoffe, es gibt etwas von der guten Atmosphäre wieder und die Informationen helfen Blinden wie auch nicht oder noch nicht von Seheinschränkungen betroffenen Menschen.

Bei mir steht Annegret Lorenz und wir treffen uns hier auf dem Kirchentag in Nürnberg. Wie geht es Ihnen denn heute auf dem Kirchentag und wie fühlen Sie sich?

Also heute Morgen war es sehr schön heiß und es sind Unmengen Menschen und man muss irgendwie aufpassen, dass man dahin, wo man hinkommen will, auch hinkommt. Und jetzt war ich ehrenamtlich am Stand von der Blindenseelsorge für Bayern und auch für die DebeSS und wir haben Blindenschrift geschrieben und die Leute das ein bisschen lesen lassen oder nachprüfen lassen und Fragen beantwortet.

Da sind wir schon beim Thema. Ich darf vertraten, dass Sie blind sind. Wie leben sie? Wie ist ihr Leben als blinde Frau bisher eigentlich so verlaufen und vielleicht können Sie ein bisschen was zu Ihrem persönlichen Erleben und Wertegang sagen?

Ja, ich bin 1948 schon geboren und hatte mit sieben Jahren eine Allergie, die sich auf die Augen gelegt hat und ist dann im Laufe von Jahrzehnten kann man sagen bis zu 38, 39 musste ich meinen Beruf aufgeben wegen zunehmender Sehbehinderung und jetzt sehe ich fast gar nichts mehr und ich habe dann mich auf Ehrenamtlichkeit verlegt. Ich habe 30 Jahre Altenheimbesuche gemacht und ja seit 89 bin ich auch bei der Blindenseelsorge und manchmal eingesetzt. Das ist mein vierter Kirchentag im aktiven Dienst sozusagen und ich lebe allein. Ich habe aber eine  Dreizimmerwohnung und habe ein Zimmer an Studenten vermietet, wo die mir dann immer mal wieder helfen und meine Tiere und meine Pflanzen betreuen, wenn ich verreise und das tue ich eben sehr gern.

Da haben sie ja schon richtig viel Kirchentag-Erfahrung. Wie hat sich das dann so entwickelt aus Ihrer Erinnerung und aus Ihrer Sicht?

An die Blindenseelsorge bin ich dran gekommen über den Blindenbund. Da haben die Leute gesagt, es gibt auch eine Blindenseelsorge und da bin ich mal mit hingegangen und dann hat eben der Fahrer von der Blindenseelsorge, damals war es der Herr Süß, gemeint, das wäre ganz schön, ob ich nicht am Münchner Kirchentag mitmachen könnte und dann später kurz darauf war dann, zwei Jahre später glaube ich, war in Leipzig der Kirchentag und kurz nach der Wende haben die Sachsen und die Bayern sich ein bisschen gegenseitig unterstützt und da war ich auch am Leipziger Kirchentag ehrenamtlicher Markt der Möglichkeiten.

Und rückblickend, was würden Sie sagen, hat sich da irgendwas verändert im Bereich Kirchentag allgemein als Erleben für Blinde oder eben auch speziell in den Angeboten, die Sie da so aus Richtung Blindenseelsorge gemacht haben?

Ich merke,dass ich immer älter werde und dass mir die Musik nicht mehr ganz so gut bekannt ist, die man jetzt singt, die neueren Lieder, kann ich nicht mehr so auswendig mitsingen, wie ich vorher gelernt habe und aber ich merke auch, dass sehr viel mehr für Behinderte insgesamt gemacht wird. Es gibt inzwischen eine Telefonnummer, wo man anrufen kann und wo man abgeholt und transportiert wird. Das gab es, soweit ich weiß, also weder in München noch in Leipzig, wo ich gewesen bin.

Wie bewegen Sie sich denn auf dem Kirchentag? Sie betreuen ja nicht nur ehrenamtlich hier teilweise mit den Stand der evangelischen Blindenseelsorge für Bayern und dem Dachverband der evangelischen Seelsorge, sondern Sie haben auch ganz eigene Interessen.

Richtig. Früher hatte ich eine extra Karte für Begleitpersonen und die durfte ich mir auch selber aussuchen und mit denen/ der habe ich dann abgesprochen. Ich habe ja dann ja oft mit der zusammen irgendwo gewohnt, hätte ich alleine gar nicht gekonnt und die hat mir dann damals aus den Büchern auch rausgesucht, wo wir vielleicht gegenseitig Interessen hatten, wo wir dann hingegangen sind und die hat sich dann da durch gefragt und so hat man das so. Und jetzt hier in Nürnberg ist ein bisschen schlechter sind die Begleitkarten für die Leute von der Blindenseelsorge und die sorgen halt für verschiedene Leute, holen die ab und bringen die hin zur U-Bahn und ja, so muss ich halt selber sehen, dass ich eigene Leute finde, die eine Karte haben, die mit mir eventuell was unternehmen. Ich weiß zwar wo die Sachen sind, aber ich gehe trotzdem nicht alleine hin und einen Platz finden und sowas.

Es gibt ja jetzt hier so ein sogenanntes Zentrum Inklusion. Haben Sie das schon in Anspruch genommen?

Hab ich noch, ja mein Freund hat angerufen und hat uns für den Schlussgottesdienst Plätze auf dem Hauptmarkt besorgt, dass man da irgendwo sich trifft und dahin gebracht wird. Sonst habe ich das noch nicht gemacht. Das hat ja erst angefangen sozusagen.

Der Informationsstand der evangelischen Blindenseelsorge ist jetzt nicht nur für Blinde gedacht. Warum sollte jemand hier an diesen Stand kommen? Was meinen Sie?

Also ich denke, es sind zum Teil Leute, die ein bisschen gefangen werden wegen der
Blindenschrift. Mein flotter Spruch heißt, Sie können jederzeit Blindenschrift schreiben, wenn Sie bis 6 zählen können. Da lachen die Leute immer ein bisschen.

Erklären Sie es bitte.

Ja, also wir haben eine Punktschriftmaschine, das heißt eine Streifenmaschine.Die Stenomaschine steht da und auf die Tasten sind 1, 2, 3, 4, 5, 6 drauf geschrieben. Und neben dran liegt eben ein Alphabet, wo drauf steht A ist 1, B ist 1, 2, C ist 1, 3 und so. Dann zeigt man denen, dass sie dann die Finger auf diese Zahlen legen und gleichzeitig runterdrücken müssen. Ein Blinder, der das denen zeigt. Das Blindenschrift-Alphabet besteht aus einer Punkte-Kombination von maximal 6 Punkten. Deswegen bis 6 zählen kann man Punktschrift schreiben. Fand ich ganz lustig den Spruch und sie schauen doch immer ganz verdutzt, dass das so möglich ist. Das ist so ein Aufhänger gewesen. Und dann haben wir daneben noch eben, was Sie geschrieben haben, habe ich jetzt hier gemacht, dass ich sage, wie man das überprüfen kann und zeige Ihnen, wo es anfängt und wo der Schluss ist und dass man das auf den Zettel draufklebt, dass sie es mitnehmen können.

Sie haben gesagt, dass Sie selbst langsam blind geworden sind. Was würden Sie denn Jemandem sagen, der in dieselbe Lage gekommen ist oder kommt? Wie kann man damit umgehen?

Also es gibt deutschlandweit "Blickpunkt Auge". Das heißt, es sind nicht nur Blinde, die da sind, sondern auch von Sehbehinderung oder Blindheit bedrohte Menschen können sich da Rat holen. Und das sind in erster Linie die Blinden-Verbände in ganz Deutschland. Möglicherweise für die seelische Auffangung der Menschen. Das ist ja doch ein sehr starker Einschnitt, wenn man immer weniger sieht und den Beruf aufgeben muss oder auch vieles eben nicht
mehr machen kann mit Sport oder Fahrradfahren und so, dass man dann eben auch an die Blinden-
Seelsorge herankommt, die ein bisschen psychisch betreuen oder einen weiterleiten, wenn es so ernsthaft ist, dass es nicht mit einfacher Beratung zu machen ist.

Sie betreuen nicht nur mit hier diesen Stand auf dem Kirchentag, sondern engagieren sich eben auch in der Blinden-Seelsorge in Nürnberg. Welche Angebote gibt es denn dort für Menschen, die sich dafür vielleicht interessieren?

Also in Nürnberg haben wir alle sechs Wochen Nachmittag der Begegnung, wo Leute kommen, wo Musik gemacht wird. Also da ist man Zuschauer und Sänger und betet mit, das Jahr. Aber es werden auch Vorträge gehalten, zum
Beispiel über jüdisch-christliche Zusammenarbeit oder muslimische Sachen. Oder es war ein Klavierspieler
da aus Russland, der gespielt hat. So kulturelle Sachen werden da gestellt und alle vier Wochen ist auch jemand wie ich, wo also auch selbst Betroffene zusammenkommen und Kaffee trinken und sich unterhalten und eben auch Themen besprechen, die biblisch bedingt sind oft. Oder auch Bibliolog gibt es oder die Frau Biendl macht in Nürnberg etwas, aber etwas Extremes, was sonst niemand wahrscheinlich machen kann. Eine Sprechstunde für Spanisch-Sprechende.

Also das klingt nach einem recht breiten Angebot, einerseits der Selbsthilfe für ja die, ich sag mal die Behinderung
selbst, aber weit auch darüber hinaus, um sozusagen ja mit dem Leben und auch mit bestimmten Themen, die unsere Gesellschaft betreffen, sich informieren zu können und das auf eine Art und Weise, die eben für Blinde zugänglich ist. Verstehe ich das richtig?

Ja, das habe ich noch vergessen. Es gibt also eine CD, die rumgeschickt wird, wo aus der Kirchenzeitung, was vorgelesen wird, dass man auch am allgemein kirchlichen Leben teilnehmen kann. Und es gibt für mehrfach Behinderte, heißt Bibelbrunch, kommen die auch zusammen und machen und es gibt die Reisen, dass man eben
Gemeinde auf Zeit bildet. Mal zum Wandern, mal was Kulturelles, mal ja am Feldberg, war man letztes Jahr oder an Starnberg, an Ammersee fahren sie dieses Jahr, die Bibelbrunch-Leute, die etwas Jüngeren und ja, da haben die auch zum Teil dann Ehrenamtliche, die die begleiten, weil nicht jeder hat Freunde, die ihnen da immer was machen können oder die Familie. Manchmal will man auch ohne seine Familie was unternehmen, die Jüngeren.

Ja, also ich denke, wer also hier in der Umgebung und in Nürnberg sich da informieren will, hat da eine gute Adresse bei dem Christlichen oder wie heißt die Dienststelle ganz genau? Wissen Sie das aus dem Kopf? Blinden- und Sehbehinderten, Seelsorge, ja, ja, Blinden und Sehbehinderten, Seelsorge. Genau, die Kontaktdaten, die Kontaktdaten, die Seelsorge, B, S, S, ja, drei S, Blinden, Sehbehinderten, Seelsorge, ja. Die Kontaktdaten reiche ich noch nach. Was haben Sie sich noch vorgenommen in diesen Tagen jetzt auf dem Kirchentag?

Ich würde gerne noch zu Bläsern gehen, da weiß ich in einer Kirche gibt es ganz viele Blaskonzerte, das weiß ich, und ich würde gerne noch zu verschiedenen Kabarett gehen. Ich weiß noch, es gibt also das weißblaue Beffchen, sind Pfarrer, die in fränkischer Mundart Kabarett machen und es gibt ein Leipziger Kabarett und ein Dresdner Kabarett, was ich aber noch suchen muss, wo das ist. Und mein Freund will zum freien Singen gehen und es gibt einen, wo auch Laien mitsingen für das Oratorium "Der Elias". Also so was Extremes und unsere Begleitung möchte gerne zu Klimasachen gehen und so. Also das müssen wir noch aushandeln, wer dann wo sich durchsetzt.

Dann wünsche ich Ihnen ein gutes Aushandeln. Im Moment ist hier ein Gewitter und deswegen müssen wir uns auch hier in relativ lauter Umgebung unterhalten. Eigentlich wollten wir uns draußen hier im Hof der Messe treffen. Aber ich denke, wir haben einen ganz guten Eindruck gekriegt von Ihrem Leben und von dem, was Sie so tun und was die Blinden-Seelsorge hier anbietet. Ich danke Ihnen ganz herzlich und wünsche Ihnen alles Gute. Annegret Lorenz war das, aus Nürnberg.

Schönen Dank. Ja, recht schön. Danke. Hat mir Freude gemacht.

Die versprochenen Kontaktdaten der evangelischen Blinden- und Sehbehinderten Seelsorge in Bayern lauten: Zentrum Seelsorge und Teilhabe, Ägidienplatz 33, 9 0 4 0 3 Nürnberg, Telefon 0 9 1 1, 8 1 0 0, 5 4 5 5,
E-Mail info at bss-bayern.de und die Webseite ebenfalls www.bss-bayern.de. Mein Name ist Jörg
Sorge und ich freue mich, dass Sie zugehört haben. Das war ein Beitrag der Komm-In-Netzwerk-Nachrichten
im Internet unter www.kom-in.de

Das Transkript wurde mit Hilfe einer lokalen Whisper-Installation von OpenAI erstellt und manuell korrigiert.


Veröffentlicht am 09.06.2023 von Sorge, Jörg