Inklusion - Das kann ja nie gelingen!
Bild c: BSVH e.V. Heiko Kunert im Portrait. Er blickt freudlich in die Kameres, trägt eine Brille und steht vor einer Grünpflanze in der Nähe eines Fensters, welches nur unscharf im Hintergrund zu sehen ist
"Bei uns bekommen Sie zwar nicht Ihr Sehen zurück, aber Sie finden Zuversicht!" - Das ist zu lesen auf der Homepage des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg e.V..
Mit dem Geschäftsführer des Vereins sprach Jörg Sorge über Persönliches, die Arbeit im Verein und über Inklusion.
Zur Webseite des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg e.V.:
https://www.bsvh.org/
Transkript
KOM-IN-Netzwerk Nachrichten, kurz KINA.
"Bei uns bekommen sie zwar nicht ihr Sehen zurück, aber sie finden Zuversicht". Das ist zu lesen auf der Homepage des blinden und sehbehinderten Vereins
Hamburg ev.
Sorge: Jetzt bin ich verbunden mit Heiko Kuhnert, dem Geschäftsführer dieses Vereins. Hallo!
Wie das mit der Zuversicht für blinde Menschen im BSV Hamburg (BSVH) konkret aussieht, das wollen wir in diesem Gespräch ein wenig beleuchten.
Zu Beginn interessiert mich aber, auf welchem Wege Du Geschäftsführer des Vereins geworden bist?
Kuhnert: Ich hatte ursprünglich Politikwissenschaften studiert und habe mich danach weitergebildet zum PR-Berater, also Public Relations. Zu dieser Weiterbildung gehörte es auch, dass ich zwei Jahre in einem Unternehmen gearbeitet habe. Das war der blinden und sehbehinderten Verein Hamburg, der mich danach als Pressesprecher übernommen hat. Ich habe hier von 2007 bis
2012 die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und hierbei auch die Social Media-Aktivitäten aufgebaut. Vorher gab es diese Stelle bei uns gar nicht. Und dann ist mein Vorgänger als Geschäftsführer in den Ruhestand gegangen. Ich habe seine Stelle übernommen. Jetzt bin ich schon seit 2013 hier Geschäftsführer.
Sorge: Und was prägte Dein Leben bisher? Was ist dir besonders wichtig?
Kuhnert: Tatsächlich bin ich so ein bisschen in diesen Bereich der sichtbar Machung von Blindheit und Sehbehinderung durch meine eigene Lebensgeschichte geraten, glaube ich. Seit meinem siebten Lebensjahr bin ich selbst blind. Und wie es halt so ist bei vielen Menschen mit Behinderungen; wir sind eigentlich ständig in der Situation, über unsere Behinderung zu informieren, mit Vorurteilen, Unsicherheiten konfrontiert zu sein. Und ich bin Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre auch integrativ beschult worden, was damals noch nicht selbstverständlich war. Es heißt ja auch da mit vielen Menschen zu tun zu haben, für die Blindheit und Sehbehinderung, etwas ganz Neues war. Ich habe dann hier an der Hamburger Uni studiert, und da war es letztlich auch so.
In jeder Referatsgruppe gab es erst mal wieder dieses Schweigen am Anfang der Sitzung. „Wie soll der denn jetzt mitarbeiten“?
Man muss das auch wieder erklären, das heißt, so ein bisschen zieht sich das wie ein roter Faden durch mein Leben, deutlich zu machen, dass ein Leben mit Behinderung ein ganz normales
Leben sein kann, wenn Barrieren abgebaut sind. Insofern habe ich von Anfang an eine sehr große Motivation gehabt, hierfür in einem Blinden- und Sehbehinderten Verein zu arbeiten, weil einfach der ganz überwiegende Teil der Themen, die hier bearbeitet werden, sind eben auch meine eigenen, meine persönlichen Themen. Gemeinsam mit anderen Betroffenen dann Dinge bewegen zu können, war immer schon eine große Motivation für mich.
Sorge: Und damit sind wir mitten im Thema der Hamburger Blinden. Ein Blindenverein, wenn ich ihn mal so kurz nennen darf, hat gut 1000 Mitglieder oder mehr und gehört wahrscheinlich damit zu den größten seiner Art in Deutschland. Was ist denn das Charakteristische am Hamburger Blinden- und Sehbehinderten-Verein?
Kuhnert: Es gibt tatsächlich durchaus noch größere Blinden- und Sehbehinderten-Vereine.
In der Bundeslandorientierung und in einem großen Bundesland wie Bayern gibt es natürlich zum Beispiel sehr, sehr viel mehr Mitglieder. Was uns hier in Hamburg so ausmacht, ist, glaube ich, ist der Vorteil eines Stadtstaates. Wir können viele Angebote für Ratssuchende, für betroffene blinde und sehbehinderte Menschen, für Augenpatientinnen, Augenpatienten und deren Angehörige relativ zentral anbieten. Wir haben halt eine Geschäftsstelle hier bei uns in Hamburg. Mit dem ÖPNV ist sie eigentlich für Leute aus ganz Hamburg gut erreichbar, sodass das natürlich im Vergleich zu einem Landesverein, der sehr in die Fläche gehen muss, ein Vorteil ist. Und wir sind im Vergleich zu anderen Landesvereinen schon sehr früh in die Richtung gegangen, dass wir gezielte Angebote für Seniorinnen und Senioren aufgebaut haben. Zwei Drittel der blinden und sehbehinderten Menschen sind ja im Seniorenalter. Wir haben uns früh geöffnet für Menschen, die vielleicht dem Gesetz nach noch gar nicht als sehbehindert gelten, aber zum Beispiel eine Diagnose wie „altersbedingte Makula-Degeneration“ bekommen haben und dann aber auch schon Austausch mit anderen Betroffenen suchen, Fragen stellen, wie es denn weiter geht, wenn das Sehen schlechter wird. An diese Zielgruppen haben wir uns schon sehr früh gewandt. Inzwischen ist das weit verbreitet im ganzen Bundesgebiet. Aber wir waren damals ein bisschen der Pionier.
Sorge: Du sprichst damit schon die Breite und den Facettenreichtum an, was man unter blind und sehbehindert manchmal so einfach zusammenfasst.
Was meinst du, wo liegt der Schwerpunkt Eurer Arbeit bei diesen ganzen Angeboten?
Kuhnert: Tatsächlich versuchen wir, für jede dieser Zielgruppen Angebote zu machen, weil wir uns in der Verpflichtung sehen, auch die Vielfalt in der Gruppe widerzuspiegeln, sowohl bei unseren Angeboten als auch möglichst in unseren ehrenamtlichen Strukturen. Einfach quantitativ, das habe ich ja eben schon gesagt, ist es natürlich schon so, dass wir es sehr, sehr viel mit Seniorinnen Senioren zu tun haben und eben auch mit Seniorinnen und Senioren, die neu von einem Sehverlust betroffen sind, also wo das Sehen aufgrund altersbedingter Erkrankungen schlechter wird. Diese Situation ist natürlich für die Betroffenen oft, man kann sagen, traumatisch, weil, wenn man sein ganzes Leben lang mit dem Sehsinn gelebt hat und es einfach gewöhnt ist, bzw. es selbstverständlich war, sehen zu können und so seinen Alltag gestalten konnte, ist es natürlich ein sehr, sehr harter Einschnitt, und insofern haben wir viel mit solchen Betroffenen und deren Angehörigen zu tun.
Aber wir haben auch eine Jugendgruppe, auch Angebote für Führhundhaltende, Angebote für Berufstätige, Angebote zur digitalen Barrierefreiheit, zur Barrierefreiheit im öffentlichen Raum und so weiter.
Wir versuchen schon, dieser Vielfalt gerecht zu werden, was nicht immer ganz einfach ist, weil natürlich unsere Ressourcen begrenzt sind. Aber das ist unser Anspruch.
Sorge: Das ist ganz praktisch gelebte Inklusion. Wie beurteilst du die Relevanz des Themas Inklusion, um das Schlagwort mal zu gebrauchen, für Gesellschaft und Politik?
Kuhnert: Wir haben hier bei uns im Verein, als wir unsere Satzung überarbeitet haben, vor, ich glaube fünf, sechs Jahren, bewusst auch Inklusion als Vereinszweckförderung, der Inklusion im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention in unsere Vereinssatzung geschrieben, weil das Thema natürlich für uns Menschen mit Behinderung elementar ist, dass wir teilnehmen können am gesellschaftlichen Leben im umfassenden Sinne, ohne dass wir uns ständig verbiegen müssen, sondern dass sich die Gesellschaft selber auch wandelt und offener wird für Teilhabe von Menschen mit Sehbehinderung. Darauf einzuwirken, ist für uns natürlich ganz wichtig. Wir nehmen es hier in Hamburg, dem Feld, in dem wir uns bewegen, was die Interessenvertretung angeht, schon wahr, dass das Thema von Politik und Verwaltung ernst genommen wird. Als Experten in eigener Sache sind wir immer mehr als Ansprech- und Gesprächspartner gefragt.
Aber man muss auch sagen, in vielen gesellschaftlichen Bereichen sind wir da natürlich noch sehr, sehr weit weg von Inklusion. Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass das Wort inzwischen so als ein Feigenblatt benutzt wird, um das weiterzumachen, was man schon die ganze Zeit gemacht hat, wandelt es einfach um und nennt das Inklusion. Da muss man natürlich aufpassen.
Wenn ich noch einen Gedanken dazu sagen darf, weil mich das aktuell gerade sehr beschäftigt; wir sehen natürlich global gerade auch in vielen Bereichen Rückschritte, wo es um Teilhabe von ganz unterschiedlichen Menschen geht. Ich habe auch die Befürchtung, dass wir in Deutschland nicht davor gefeit sind, dass Inklusion sowie die Themen Barrierefreiheit Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in den nächsten Jahren ins Hintertreffen geraten können.
Sorge: In einer so großen Stadt wie Hamburg gibt es vergleichsweise viele blinde Menschen, die sich als Christen verstehen und zur Kirche gehören. Welche Bedeutung hat denn Deiner Meinung nach die Kirche bezüglich der Umsetzung von Inklusion und welchen Verbesserungsbedarf siehst du?
Kuhnert: Tatsächlich spielt das eine große Rolle. Die Kirchen können auch ein großer, starker Partner sein, um das Thema voranzubringen, vielleicht auch in Bereichen der Gesellschaft, in denen es noch nicht so selbstverständlich ist, nehme ich wahr. Natürlich können sie auch für die Betroffenen selbst Strukturen anbieten und Räume schaffen, in denen wir uns wohl, und anerkannt fühlen, wo wir teilnehmen können. Hier in Hamburg ist es so, dass wir bis vor wenigen Jahren durch den christlichen Blindendienst seelsorgerliche Angebote hatten, explizit für blinde Menschen.
Diese Angebote wurden eingestellt, weil man, nehme ich an, mehr in den Bereich Inklusion gehen will. Da weiß ich tatsächlich nicht, wie gut das schon in der Breite gelingt. Ich denke schon, dass es die Unsicherheiten und Vorurteile, die es zwangsläufig überall in der Gesellschaft gibt, auch in Kirchgemeinden geben wird. Wie gut es dort gelingt, Inklusion so zu leben wie bei uns, fehlt mir der
Überblick. Aber das sollte natürlich der Anspruch sein.
Sorge: Und dort wo du Berührungspunkte hast, welche konkreten Ideen hättest du für die christliche Blindenseelsorge? Manchmal ist ja der Blick auch aus einem gewissen Abstand ganz gut.
Kuhnert: Also ich finde es tatsächlich erstmal super, was auch in der Vergangenheit erreicht wurde und was es ja auch an Angeboten bis heute gibt. Alleine, dass ich eine Bibel in blinden Schrift lesen kann, zum Beispiel, ist ja eine große Errungenschaft und dass die auch bezahlbar ist. Das möchte ich auf jeden Fall nicht missen und finde ich auch für die Zukunft ganz wichtig, dass eben auch die barrierefreien Zugänge zum Glauben geschaffen werden. Und da gehören aber eben noch mehr Themen dazu. Da gehört dann auch bauliche Barrierefreiheit in Gemeindehäusern vielleicht dazu. Es gehört einfach auch eine Offenheit im Umgang dazu. Das fängt ja im Kleinen an. Wenn ich irgendwie in einem Gottesdienst sitze und bestimmte Dinge vielleicht nicht mitbekomme, weil sie nur visuell passieren, wann stehen meine Gemeindemitglieder auf, wann gehen sie vielleicht nach vorne zum Abendmahl oder so. Da kann es schnell sein, dass man als Mensch, der nicht sehen kann, dann einfach sitzen bleibt, weil man irgendetwas nicht mitbekommen hat. Das sind so Kleinigkeiten. Oder wie komme ich überhaupt zur Veranstaltung der Gemeinde? Kann ich mich überhaupt auf der Internetseite der Gemeinde barrierefrei informieren über die Angebote, die es gibt? Und das sind so kleine Bausteine, die aber natürlich schon eine Herausforderung sein können. Da kann ich mir vorstellen, dass Menschen, die schon lange in der Blinden- und Sehbehindertenseelsorge auch aktiv sind, dass diese in die Fläche gut gehen, beraten oder Gemeinden vor Ort auch unterstützen können.
Sorge: Da macht ihr ja meines Wissens eine Menge im Rahmen der Möglichkeiten. Aber ich denke auch, hier besteht der größte Bedarf.
Kuhnert: Ich finde schon, Inklusion sollte das Ziel sein. Wir als Blinden- und Sehbehindertenverein wissen natürlich, dass es auch gut tut, wenn man als Mensch mit Behinderung mal unter seines Gleichen sein kann und sozusagen mit anderen Betroffenen in den Austausch tritt, wo man eben nicht mit Vorurteilen konfrontiert ist. Aber gleichzeitig braucht es eben für den Alltag schon auch diesen Anspruch der Inklusion und dass möglichst alle am Gemeindeleben teilnehmen können.
Sorge: Und auf unsere Gesellschaft bezogen, wie würdest du denn eine ideale Inklusion beschreiben? Welche Vision hast du?
Kuhnert: Man hört manchmal, Inklusion, das kann ja nie gelingen, denn das ist ja so umfassend oder auch Barrierefreiheit kann nie gelingen, denn dann müssten wirklich alle mitdenken und das geht ja gar nicht und so weiter. Davon möchte ich mich eigentlich gar nicht entmutigen lassen. Ich habe schon den Anspruch „Inklusion“, und ich weiß, dass das immer ein langer Weg sein wird. Aber für mich ist schon dieser Prozess alleine das Elementare, weil, es macht viel mit Menschen, wenn sie mit Menschen Kontakt haben, mit denen sie sonst nie in Berührung kommen würden. Raul Krauthausen, der Aktivist, hat das mal so schön gesagt, dass auch Nichtbehinderte ein Anrecht auf Inklusion haben und davon profitieren. Und das finde ich halt auch, das wäre schon mein Anspruch, dass letztlich eine inklusive Gesellschaft entsteht, in der das wirklich normal wäre, nicht nur in der Schule - da gibt es ja durchaus Fortschritte - sondern auch im Berufsleben, im Sportverein, in der Kirchgemeinde, in Parteien. Da gibt es auch noch viele Lücken. Dass auch dort die rund 10 Prozent Anteil von schwerbehinderten Menschen, die es in der Gesellschaft gibt, sichtbar sind und sich aktiv einbringen können. Das ist meine Vision.
Sorge: Und daran arbeitet Ihr ja mit dem Blinden und Sehbehindertenverein Hamburg. Welches sind denn die Herausforderungen? An welchen Problemen arbeitet ihr vielleicht gerade?
Kuhnert: Neben dieser Kernaufgabe der Selbsthilfe, Betroffene unterstützen andere Betroffene in verschiedenen Settings, machen wir eben auch ganz viel an Interessenvertretung.
Das ist ja auch eine unserer Aufgaben. In einer Stadt wie Hamburg haben wir ein großes Thema, das uns immer wieder, eigentlich schon seit Jahrzehnten beschäftigt. Das ist barrierefreie Mobilität. Dies ist sicher überall ein Thema, aber natürlich in einer so eng vernetzten Stadt, wo es überall Kulturangebote gibt, wo es ein Netz von Arztpraxen gibt, ist eigenständige Mobilität natürlich ganz wichtig, dass ich diese Angebote, die eine Stadt bietet, auch nutzen kann. Und gerade für uns blinde und sehbehinderte Menschen ist natürlich Barrierefreiheit im ÖPNV ein wichtiges Thema. Und da beschäftigt uns, um nur mal ein Beispiel zu nehmen, der Zugang zu Fahrgastinformationen, also Informationen darüber, wohin fährt denn dieser Bus jetzt, gibt es eine Verspätung, eine Umleitung oder Schienenersatzverkehr. Dass diese Informationen nicht nur visuell bekannt gegeben werden, sondern auch akustisch, damit blinde und sehbehinderte Menschen diese Informationen auch bekommen. Andererseits brauchen gehörlose und schwerhörige Menschen, ihre diesbezüglichen Informationen nicht nur akustisch sondern dann immer auch visuell. Das ist das Prinzip zweier Sinne. Dies geht in Hamburg sehr schleppend voran. Wir versuchen, gerade jetzt im aktuellen Wahlkampf in Hamburg, alle Möglichkeiten zu nutzen, um die Öffentlichkeit für dieses Thema zu sensibilisieren und uns dafür stark zu machen. Um dann vielleicht noch ein zweites Thema aufzugreifen, das uns immer sehr beschäftigt, ist die Versorgungssituation von blinden und sehbehinderten Menschen mit Rehabilitationsangeboten. Wenn ich einen Schlaganfall habe oder eine Krebserkrankung, dann gibt es ganz klare Rehabilitationsangebote, dann kann ich drei, vier Wochen in eine Rehabilitations-Einrichtung gehen und werde dort umfassend sensibilisiert geschult, sowohl was Sportangebote angeht, was Beratungsangebote betrifft. Das gibt es ja speziell bei Blindheit und Sehbehinderung so gar nicht bzw. es gibt wirklich nur eine Klinik in Deutschland, die so etwas anbietet. Da gibt es eine große Versorgungslücke. Das ist auch ein Thema, wofür wir uns einsetzen, damit es auch in dieser Hinsicht Verbesserungen gibt.
Sorge: Gibt es ein Angebot oder irgendetwas, das für Blinde und Sehbehinderte über Hamburg hinaus bekannt werden sollte oder interessant ist?
Kuhnert: Wir machen jetzt schon seit 11 Jahren ein Kompaktangebot, das heißt, „11 Themen bei Sehverlust“. Dahinter steht ein bisschen der Rehabilitations-Gedanke. In einer geschlossenen Gruppe behandeln wir tatsächlich sehr kompakt die verschiedenen Themen, die einen blinden bzw. sehbehinderten Menschen beschäftigen. Darüber informieren wir und tauschen uns untereinander aus. Das beginnt bei der Hilfsmittelversorgung, setzt sich fort hinsichtlich sozialrechtlicher Fragestellungen, geht dann aber auch in den Bereich der seelischen Verarbeitung, den Umgang mit depressiven Phasen, Resilienz zu schaffen, um mit meiner Sehbehinderung dann auch wieder ein wertvolles Leben zu führen. Das machen wir zweimal jährlich, einmal in Hamburg und einmal in unserem Aura-Hotel Timmendorfer Strand. Das ist ein Hotel für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen. Und wir können damit bisher tatsächlich nur unseren Hamburger Bedarf decken, weil die Nachfrage nach so einem Angebot so riesig ist. Und da hoffe ich einfach, dass, orientiert an unserem Konzept, dieses Angebot auch andere Landesvereine perspektivisch aufgreifen, und dass es am Ende dann auch ein bundesweites Angebot werden kann.
Sorge: Das ist sehr interessant, würde ich sagen. Aus meinen Erfahrungen mit den vielen Gesprächen, die ich bisher mit Akteuren und Betroffenen aus der Szene gemacht habe, wo es oft ein wenig Abbau und Rückgang, gerade auch solcher Angebote gibt, die verschiedenen Angebote, gerade auch im kirchlichen Bereich, in den sogenannten neuen Bundesländern, sehr, sehr zurückgefahren worden sind. Aber zu hören, dass es genau für diesen lebenspraktischen Bereich für blinde Menschen Bedarf gibt, ist eigentlich ganz normal. Und da gibt es bestimmt ein Betätigungsfeld für viele Akteure in diesem Bereich.
Heiko Kunert ist selbst blind und arbeitet daran, dass Menschen mit Sehbeeinträchtigung Zuversicht gewinnen.
Man findet ihn im FediVerse unter dem sogenannten Handle @heikokunert in
einem Wort, @norden.social.
Telefonisch ist der Blinden- und Sehbehinderten-Verein Hamburg e.V.
erreichbar unter der Nummer 040 209 4040
per E-Mail: info@bsvh.org.
Gibt es noch irgendwas Wichtiges, was ich vergessen habe, was du unbedingt noch loswerden möchtest?
Kuhnert: Natürlich können die Hörerinnen und Hörer uns auch über unsere Social Media Kanäle noch folgen. Und was vielleicht auch noch ganz interessant ist, wenn Ihr dann ohnehin gerade online unterwegs seid, auch mal bei unserem Projekt bei „Anruf Kultur“ vorbei zu schauen. Anruf Kultur.de ist die Internetseite. Das ist noch ein ganz spannendes Angebot, was auch bundesweit angeboten wird. Da kann man am Telefon, an Museumsführungen, Stadtrundgängen und so weiter teilnehmen. Von zu Hause aus kostenfrei. Das lohnt sich, glaube ich, auch noch kurz zu erwähnen.
Sorge: Ein schöner Tipp noch zum Schluss.
Und ich danke ganz herzlich für das Gespräch.
Kuhnert: Sehr gerne, ich danke.
Sorge: Natürlich sollte es zu meiner letzten Frage nicht Bestätigungsfeld, sondern Betätigungsfeld heißen. Und ich freue mich, dass Sie und Ihr zugehört haben bei diesem Beitrag für
die Blinden-Hörzeitschrift „Das ABC-Journal“ beziehungsweise dem Podcast.
Das KOM-IN-Netzwerk e.V. im Internet unter www.kom-in.de.
Mein Name ist Jörg Sorge, herzliche Grüße.
Veröffentlicht am 26.02.2025 von Sorge, Jörg