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Technik und viel persönliches Engagement

Das KOM-IN-Netzwerk in Unterloquitz stellt moderne Medien in den Dienst von Blinden und Sehbehinderten

Günter Wild und Jörg Sorge im KOM-IN-BüroKOM-IN - diese Abkürzung steht für Kommunikation und Information. Und damit blinde und sehgeschädigte Menschen davon nicht ausgeschlossen sind, ist Jörg Sorge, rechts im Bild, zusammen mit ehrenamtlichen Helfern seit vielen Jahren unermüdlich tätig. Aktive Unterstützung erfährt er dabei durch Günter Wild (links). Selbst blind, bearbeitet er Computerprogramme für deren Nutzung unter dieser speziellen Einschränkung. Neben Publikationen auf Audio-Kassetten, Diskettenzeitschriften und EDV-Diensten werden vom KOM-IN-Netzwerk Unterloquitz auch im Internet Informationen angeboten.

Einen Computer zu bedienen, ohne am Bildschirm die Arbeit verfolgen bzw. die Menüvorgaben lesen zu können - wie soll das gehen? Und doch ist es möglich, dass blinde Menschen Computer nutzen, wie beispielsweise Günther Wild aus Lobenstein. Er ist sogar Programmierer, d. h. er präpariert gängige Computerprogramme so, dass sie von Blinden zu handhaben sind. Dazu gibt es den »sprechenden Computer« oder ein Zusatzgerät, die so genannte Braille-Zeile, benannt nach dem Erfinder der Punktschrift. An diesem Gerät kann mit den Fingerspitzen ertastet werden, was auf dem Bildschirm steht. Sogar Ausdrucke in gestanzter Punktschrift sind möglich.

Günther Wild nutzt die Braille-Zeile auch zum Programmieren. Nein, eine ausgesprochen mathematische Ader habe er früher nicht besessen, sagt der gelernte Masseur, der bis vor einigen Jahren eine eigene Praxis betrieb. Aber mit dem Interesse am Computer sei sie ihm wohl gewachsen, und durch seine Kontakte in der Interessengemeinschaft sehgeschädigter Computernutzer habe er auch die speziellen Bedürfnisse dieser Gruppe erkannt.

Günther Wild ist für das KOM-IN-Netzwerk in Unterloquitz (Superintendentur Rudolstadt-Saalfeld) tätig, ein Verein, dessen Name sich aus den Begriffen Kommunikation und Information ableitet und der sich hauptsächlich mit der Produktion und dem Versand von Hörzeitschriften und Hörbüchern befasst. In seinem Haus hat Vereinsvorsitzender Jörg Sorge Büro, Computerraum und ein professionelles Tonstudio untergebracht. Regelmäßig werden dort neun Hörzeitschriften und Hörbücher überwiegend christlichen Inhalts produziert, wie beispielsweise das "ABC-Journal" mit aktuellen Nachrichten aus den Kirchen, Berichten und Kommentaren oder "amnesty international-Journal", das Magazin für Menschenrechte. Die Kassetten sind zum Teil kostenlos oder für geringe Jahresabonnementspreise erhältlich. Acht Sprecherinnen und Sprecher sowie mehrere Helfer im Büro und beim Versand arbeiten ehrenamtlich für das KOM-IN-Netzwerk, das sich hauptsächlich aus Spenden finanziert. Jährlich werden etwa 3 000 Päckchen mit mehr als 4 000 Kassetten in ganz Deutschland, nach Ungarn, in die Tschechische Republik, in die Schweiz, nach Großbritannien, Frankreich, Luxemburg und Israel verschickt, portofrei übrigens, was auf einer weltweiten Vereinbarung der Postunternehmen mit den jeweiligen Blindenverbänden beruht.

Ein weiteres Angebot von KOM-IN ist ein EDV-Dienst. Dazu gehören die Bereitstellung von Informationen auf Disketten sowie umfangreiche und stets aktuelle Eintragungen im Internet einschließlich Diskussionsforen zu den Themen Christentum und Gesellschaft, Menschen mit Behinderungen und Menschenrechte. Behinderte Menschen seien oft in ihren Kommunikationsmöglichkeiten eingeschränkt. Dem versuche das Netzwerk mittels moderner Medien entgegenzuwirken, sagt Jörg Sorge, der beruflich als Medienassistent beim Saalfelder Bürgerfernsehen tätig ist.

Weshalb er seine verbleibende Zeit und so manches Wochenende dem Verein widmet, erklärt sich aus dem Bestreben, etwas bewahren zu wollen und neu zu gestalten. Bereits in der DDR war Jörg Sorge für den Christlichen Blindendienst tätig. Dieser wurde nach 1989 an das West-Pendant, den Evangelischen Blinden- und Sehbehindertendienst in Deutschland (EBSD), angegliedert. Die Hörbücherei Ost, die jährlich etwa 100 Hörbücher auf Tonkassetten herausgebracht hatte, wurde geschlossen. Jörg Sorge führte ehrenamtlich eine Hörzeitschrift weiter. So entstand das Monatsmagazin das „ABC-Journal“. Durch Hörervorschläge kamen weitere Anregungen. 1992 wurde das "thüringer tonstudio" gegründet, das fünf Hörzeitschriften produzierte, ein Jahr später dann der Verein KOM-IN-Netzwerk. 1994 wurde mit dem Versand von Tonträgern begonnen, weitere Zeitschriften kamen hinzu. Seit 1995 verbreitet der Verein Nachrichten über elektronische Mailboxnetze, 1996 startete das Internet-Angebot für Blinde und deren Freunde. Seit 1997 werden für blinde Computernutzer zwei Diskettenzeitschriften herausgegeben, die "Zeitschrift der geistlichen Gemeindeerneuerung" und das "Kina-Presse-Archiv-Sekten". 1998 entstand eine elektronische Bibel. Ein Höhepunkt und auch Anerkennung der bisherigen Arbeit war der Besuch von Landesbischof Roland Hoffmann im Februar 1999. Wir sehen unsere Tätigkeit auch als Angebot für nichtbehinderte Menschen, sagt Jörg Sorge, indem wir Mitteilungen über Behinderung allgemein, über das Zusammenleben und über ethische Fragen verbreiten. Exemplarisch dazu in seinem Büro der Aufkleber: Sehen schützt vor blind sein nicht.

Rubin, Reinhild, 22.08.1999
© KOM-IN-Netzwerk 1996 - 2014


Veröffentlicht am 21.08.1999 von Lichtenheld, Martin